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Direkt geführte Fusswege verbanden die umliegenden Gemeinden untereinander, mit dem Talboden und mit dem Zentrum Ilanz. Noch heute sind Teile des historischen Wegnetzes erhalten. Ältere Menschen verbinden damit Erinnerungen – an weit mehr als nur an lange Fussmärsche. So wie dies die nachfolgenden Geschichten bezeugen.

Der Schulweg

Giachun Caviezel, 13.8.1899 – 25.1.1989
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Seine Tanten wollten ihn fördern und schickten klein Giachun bereits als Zehnjährigen von Luven nach Ilanz in die Schule. Der beschwerliche Schulweg hinderte Giachun nicht daran, später seinen eigenen Weg zu gehen und nicht zu studieren, sondern Polizist in St. Moritz zu werden und dort seine grosse Liebe zu finden.
Erzählt von Lilly Coray-Caviezel (1933), Sagogn, 2015

Il trutg da nozzas

Marianna (1929-2010) e Gieri Vinzens-Cavelti (1922-2010), Sagogn/Ruschein

Igl onn 1956 han Gieri Vinzens da Ruschein e Marianna Cavelti da Sagogn maridau ella baselgia da Ruschein. La spusa ei stada ina dallas empremas ella Foppa che ha maridau el vestgiu tenor la nova moda. Tochen lu vegneva maridau en vestgiu da nozzas nér cun vèl alv. Maridar en alv fuva (tochen lu) reservau a famiglias da signurs e niebels. Lu ei la moda nova culla rassa alva vegnida.
Aschia ha era Marianna Vinzens schau cuser ina rassa da nozzas alva. Ina cusrina da siu bab, Agnes Bacchini (maridada in onn suenter cun Carli Camathias da Laax), ha fatg quella tenor sia elecziun.
Ei fuva usit ch’ils nievmaridai mavan igl auter gi tiel fotograf per schar far la fotografia da nozzas. Gieri e Marianna havevan priu domicil a Ruschein. Aschia ein els serendi igl auter gi giu Glion. Els havevan l’intenziun dad ir cul tren giu Cuera tiel fotograf Vonow per schar far la fotografia obligata.
Ils da Ruscheiun fuvan disai dad ir il trutg usitau da Ruschein a Glion. Ils da Sagogn denton buc. La spusa Marianna ha pachetau sia rassa ed il vèl en ina cofra ed ils calzers alvs medemamein. Siu consort Gieri haveva era ina valischa cun en sia mondura da nozzas. Aschia ei il pèr semess sin via encunter Glion. Gieri fuva disaus dad ir mintga gi a pei giu Glion ed ensi. El luvrava tier la „Holzbauwerke“ sco scrinari. Marianna, sia dunna giuvna, fuva denton buca disada dad ir tugi da teissas plauncas si e giu.
Il pèr en prescha han stuiu mirar da puder tier il tren encunter Cuera. Gieri ei „currius“ sco adina sc’in camutsch encunter Glion. Sia dunna pudeva denton buca suenter ed ei restada anavos senza ch’il frestg consort ha s’encurschiu. Ella pudeva buca suenter al vescal consort. Arrivaus giu Glion era Gieri tut surstaus che sia dunna era buca davos el. El ha stuiu spitgar in uriala sin ella. Marianna haveva survegniu vischigias e cun quellas eis ella zuppegiada dil teiss trutg giu. Il tren han ils nievmaridai tuttina pudiu tier. Cun vischigias ei Marianna ida el tren tochen Cuera. Leu ha ella priu ils calzers da nozzas alvs ord sia valischa e tratg en quels. Marianna e Gieri Vinzens han raquintau quella episoda da lur nozzas tut a riend igl onn 2005 e contemplond la fotografia da nozzas. Il trutg da Ruschein giu Glion ei restaus aschia a Marianna en memoria sco trutg da vischigias.
Scret dat Augustin Beeli, Sagogn, 2015

Sommersonntage in Ilanz

Ursula Dosch, links, zusammen mit ihrer Mutter und ihren jüngeren Schwestern im Sommer 1946 neben dem Rhein in Ilanz.

Wenn wir im Sommer den Sonntag in Ilanz verbrachten, genoss es unsere Mutter nachmittags mit uns ans Wasser zu gehen, sie vermisste ein Schwimmbad, damals in den fünfziger Jahren. Obwohl wir dicht am Rhein wohnten, konnten wir das Ufer nicht als "Strand" benützen. Der Fluss floss (und fliesst) unter der Brücke hindurch (damals Holzbrücke) in einem mit Steinen befestigten Flussbett. Aber weiter Richtung Schnaus, da hatte der Rhein viel Platz, da gab es einen Ort wo Sand, Steine und Schwemmholz sich tummelten, bei schönem Wetter ein Ziel um mit Kinder zu 'bädelen'.
Wir wanderten also von St. Nikolaus (Saniklaas) rheinaufwärts (heute Obere Rheinstrasse). Die Strasse konnte auch von Motorfahrzeugen befahren werden, war aber nicht asphaltiert. Vorbei ging es an Menn&Derungs, am Hintereingang der Metzgerei Surselva, am Eisenlager von Menn&Derungs. Hier hatte es auch einen Fussweg hinauf zu Schuster Casutt und ins Obersaniklaas. Weiter unter den hohen Gebäuden der Hotels Krone und Lukmanier, beim Wohn/Garagebau Solèr&Fontana vorbei, dessen abgerundetes Terrässchen mich schon damals faszinierte (heute nenne ich es Bauhausstil). Vorbei an der Casa Veneta und der Garage Spescha wo ein Wäldchen mit einem Bächlein den nun schmaleren Weg entlang des Rheins markierte. Dann gings dem Erlenwald entlang der, begrenzt durch eine begehbare niedere Mauer, den Beginn des Sportplatzes ankündigte. Dieser bestand aus Kletterstangen, dem Tennisplatz und dem Fussballplatz. Anschliessend ein Transformatorenhäuschen, wieder eine Mauer um den Sportplatz zu begrenzen, und nun war man endgültig aus Ilanz raus. Bäume und Stauden säumten den Weg bis zum ersten Höhepunkt der 'Reise', die Unterführung des Bahngeleises der RhB. Da liessen wir Töne und Melodien los, es widerhallte und vor allem tiefe Laute klangen eindrücklich. Hohooo...hohooo...
Das eigentliche Ziel, unser 'Seeli', oder Champagnerbad, wie es meine jüngeren Schwestern auch nannten, war über eine Böschung zu erreichen, dann freie Sicht auf den Rhein. Jeden Sommer präsentierte sich die Sandbank, die durchaus auch eine Steinbank sein konnte, anders. Einzigartig präsentierte sie sich in jenem Sommer als das angeschwemmte Gestein einen kleinen See formte. Da war nun absolut keine Gefahr für uns Kinder vom Wasser weggeschwemmt zu werden. Nun, einen Schwimmgurt mussten wir trotzdem umbinden und die Kleineren wurden immer an eine Schnur gebunden.
Das übriggeblieben Stück Natur des beschriebenen Weges beginnt heute bei der Unterführung der Rhätischen Bahn, den Zugang zum Rhein konnte ich nicht mehr finden. Das Ufer, denke ich, ist mit Stauden eingewachsen und das Wasser fliesst auf engerem Raum. Ich konnte jedenfalls auch keine einladenden Sandbänke erspähen auf meinen Erkundungen, fahre ich doch des Öfteren diese Strecke mit dem Fahrrad.

Geschrieben von Ursula Dosch (1941), Obersaxen, 2015

Innertobel-Tavanasa - Obersaxens Lebensader im Westen

Der heilige Antonius beim Chriegli.

Chriegli und Hanschenhaus liegen im Innertobel, im westlichen Teil der weit verzweigten Gegend von Obersaxen. Die Weiler sind wunderschön gelegen, waren aber lange Zeit schlecht erschlossen, und es gab keine Einkaufsmöglichkeiten. Meierhof war weit entfernt, und dort waren nur Kolonialwaren erhältlich. So richtete man sich nach Tavanasa aus. Hier konnte man nicht nur Esswaren kaufen. Es gab eine Eisenwarenhandlung, einen Schuster, eine Schneiderin und später, bei der Dauerwellmode, auch einen Coiffeur. Die Landwirte deckten sich hier mit Sensen, Hacken, Nägeln und vielem mehr ein. Aber wie beförderte man die Güter nach den Weilern hoch? Zu Fuss - z. T. im Rucksack, auf dem Traggestell und in Taschen. Es waren steile Wege. So eilten die Geschwister Camenisch ihrer Mutter entgegen, um ihr auf dem Heimweg den Transport zu erleichtern. Die älteren Geschwister Casanova und Camenisch wurden bald auch allein für solche Botengänge eingesetzt. Im Winter, bei gutem Fuhrweg, konnte dazu abwärts gerodelt werden. Gewisse Sachen liessen sich auf dem Heimweg auf den Schlitten binden. Brauchte man Notvorrat, z.B. einen Sack Polenta, Salz oder Zucker, dann konnte ein Holzfuhrmann im Winter auf dem Heimweg notfalls einen Sack auf seinen leeren Schlitten laden. Doch dieser musste im Nachbarhof Platta abgeholt werden, da die beiden Weiler nicht an der Holzfuhrstrecke lagen.
Der Schiessverein St. Martin benutzte diesen Winterweg St. Martin-Tavanasa viele Jahre als Schlittenrennstrecke. Die Rangverkündigung mit Tanz fand dann abends im Restaurant St. Martin statt.

Ab 1912 konnte man in Tavanasa nach Bedarf auch die Bahn besteigen, um nach Ilanz oder ins Oberland zu gelangen. Mit Vieh, das man zum Markt bringen wollte, wurde der Fussmarsch nach Meierhof und weiter über Egga, Flond nach Ilanz bevorzugt. In Egga wurde dem "St. Antoni" bei der Kapelle Geld gespendet, damit das Rind dann einen Käufer finde!
Da die Alp Zavragia einige Jahre an Auswärtige verpachtet war, kamen die Tiere per Bahn nach Tavanasa und dann zu Fuss zur Alp und zurück.

Lange Zeit war dieser Weg auch Schulweg. So weist das Schulfoto von 1920 der Gesamtschule St. Martin (37 Schüler) vier der älteren Kinder der Familie Maissen aus Tomahüss aus. Die jüngeren Geschwister stapften dann aber nach Danis zur Schule. Vermutlich hatte es in St. Martin danach zu viele Schüler? Und Tomahüss gehörte damals noch lange zur Gemeinde Brigels...
Jakob (1926), Adolf (1928) und Ignaz (1929) Caduff aus Platta waren Schüler der Sekundarschule Danis, weil die Sekundarschule in Meierhof erst 1946 begann. In den 1960er Jahren besuchten Othmars ältere Brüder die Gewerbeschule in Cumpadials. Also - früh aus dem Bett und Fussmarsch zur Bahnstation Tavanasa und abends in umgekehrter Richtung zurück! Bruder Venanzi machte die Malerlehre in Brigels. Er ertüchtigte sich täglich, indem er am Morgen den Arbeitsplatz und am Abend sein Zuhause zu Fuss erreichte - bolzengerade die Abkürzung Danis-Brigels hinauf und hinunter! Das gibt Kilometer und Höhenmeter!

Und die Post für die Weiler Axenstein, Bellaua, Platta, Hanschenhaus und Tomahüss wurde bis Ende Januar 1959 von "Pöstlern" aus Axenstein und zuletzt aus Platta in Tavanasa geholt und droben verteilt - zu Fuss natürlich.

Ab 1956 wurde der Stollen zum Wasserschloss in Hanschenhaus gebaut. In diesem Zusammenhang fuhren Pius Herrmann und Christian Weber mit einem Jeep ins Tal. So transportierten diese ab und zu einen Sack Vorrat für die Innertobler bergan. Pius brachte in einer Mappe auch einmal im Monat den Lohn für die ca. 120 Arbeiter des Stollens - ohne Polizeischutz!
Ulrich, und vermutlich weitere Burschen, benutzten den Weg ins Tal auch, wenn da unten ein Waldfest angesagt war. Durch die vielen Kontakte mit den Romanen beherrschten in diesem Teil von Obersaxen die Walser, neben "Titsch" auch Romanisch!

Bekanntlich gibt es hier keine Busverbindung ins Tal. So geschah es beim Papstbesuch im Juni 1984, dass an einer Auskunftsstelle in Luzern eine ältere Frau nach Zugsverbindungen nach Tavanasa fragte, um weiter nach Obersaxen zu gelangen. Mein Schwager fand solche, wollte aber Klara Sutter erklären, dass sie ab dort nicht weiter komme. Diese lachte und meinte, dass sie diese Strecke immer zu Fuss bewältige...
Erzählt von Ulrich Camenisch (1941), Chriegli, und Othmar Casanova (1951), Hanschenhaus, Obersaxen. Aufgezeichnet und ergänzt von Maria Ettlin-Janka (1940), Obersaxen/Stans, 2015

Mattal zum Ersten - ein Weg ins Tal und in die weite Welt!

Früher gehörten lange, beschwerliche Fussmärsche zum Alltag, heute "erleide ich schon beim Gedanken daran eine Herzschwäche". (Klassenfoto 1953: Maria Ettlin-Janka, vorderste Reihe, 3. von rechts).
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In Hotelprospekten der Jahre 1920/30 lesen wir für Meierhof, dass man im Winter Obersaxen per Pferdepost ab Ilanz oder zu Fuss von der Station Waltensburg aus erreichen könne.

Doch wir Einwohner des mittleren Teils von Obersaxen benutzten diesen Weg im Winter als Holzfuhrweg zur Station und vor allem im Sommer für alle möglichen Gänge ins Tal. Der Bau der RhB von anno 1903 bis Ilanz, 1912 dann bis Disentis brachte uns die Welt etwas näher. Da die Strasse Ilanz-Obersaxen sehr schmal und die Pferdepost- oder Postautoverbindung spärlich und langsam war, benutzten wir oft diese Abkürzung durch den Mattal (auch Mettal oder Mettli genannt).

Meine erste Wanderung dorthin reicht ins Jahr 1947 zurück. Da war ich in die erste Klasse eingetreten. Es hiess, die Erst- und Letztklässler müssen Schirmbilder machen lassen - etwas zur Kontrolle der Lunge. Also trotteten wir Kleinen mit den Grossen zu Tal, genauer bis nach Ruis. Wir waren ja trainiert, denn alle hatten sich im schulfreien Sommerhalbjahr bei Feldarbeiten ertüchtigt! Ein Lehrer begleitete uns, sonst hätten uns die Grossen zu fest herumkommandiert!

In der Sekundarschule gab es dann Schulreisen - z. B. Bodensee-Rheinfall-Zürich. Damit nicht zu viel Zeit verloren ging, wanderte man zu Fuss zur Station Waltensburg, um den Zug zu besteigen. Ein andermal war der Reisecar zu gross für die Strasse über Flond. Also nahm man morgens früh den Mattalweg unter die Füsse. Der Bus wartete bei der Station. Wir Schüler verlebten einen tollen Tag am Flughafen und im Zoo Zürich. Zuletzt durften wir in der Nähe des Cars noch etwas flanieren. Doch das reichte einigen Knaben nicht. Sie wollten einer Bekannten schnell "Guten Tag" sagen. Als wir uns zur abgemachten Zeit trafen, fehlten die Burschen. Wir warteten ungeduldig bis sie sich einfanden - Weg verfehlt - nicht stadttüchtig! Verärgert fuhren wir mit Verspätung los, doch nicht weit. Der Bus gab auf - Kupplung defekt! Ein Ersatz musste her. Es wurde Abend, und Waltensburg erreichten wir nach Mitternacht! Die ganze Bande verfügte über zwei Taschenlampen - eine zuvorderst, eine zuhinterst im bergwärts ziehenden Trupp! Unsere verängstigten Familien konnten nicht per Handy verständigt werden...!

Als ich mich zur Ausbildung in Chur im Internat befand, waren wir "Ledigen" zur feierlichen Primiz mit Nachtessen in Obersaxen eingeladen. Da ich normalerweise nur alle drei Wochen nach Hause fahren konnte, gab es für mich eine Spezialbewilligung, aber nur bis 6 Uhr am Montag früh. Meine Schulfreundin, die auch angereist war, erbarmte sich meiner und begleitete mich am 20. April 1959 den Mattal hinunter auf den ersten Zug. Dabei hörten wir zum ersten Mal den Ruf einer Eule. Als ich in Chur ins Haus trat, schallte eben der Weck-Gong durch die Gänge. - Geschafft!
Geschrieben von Maria Ettlin-Janka (1940) Obersaxen/Stans, 2015

Mattal zum Zweiten - ein traumhaft langer Schlittelweg

Ursula Dosch beim Schlitteln mit ihrer Tante in Obersaxen.

Wir wohnten in Ilanz, unser Vater war aber ein Obersaxer, dort aufgewachsen und heimatberechtigt. Meine Mutter, durch Heirat auch zur Obersaxerin geworden, hat uns Mädchen betont: ihr seid nicht von Ilanz, ihr seid Obersaxerinnen.
Das mit der Heimatberechtigung war also klar.
Unser Vater führte eine Apotheke, das hiess damals, jeden zweiten Sonntag Dienst, es hatte also immer eine kompetente Person anwesend zu sein, falls jemand Medizin brauchte.
Wir sind an den freien Sonntagen nach Obersaxen gefahren, mit dem Postauto. Dort erwarteten uns die Grosseltern, später dann Tanten und Onkel. Im Winter fuhr das Postauto aber nicht und wurde durch eine Postkutsche ersetzt, damals der einzige Postkutschenersatz ab Ilanz, er wurde erst in den frühen fünfziger Jahren durch ein Postauto ersetzt.
Die Postkutschenfahrt dauerte 2-3 Stunden. Das war etwas lang wenn man dann abends wieder zurück nach Ilanz fahren musste. Aber da gab es noch den Mettal (Mattal oder Mettli genannt), den Weg von Waltensburg Station nach Markal-Meierhof. Im Winter wurde dieser Weg zum Holzführen benützt, war dann also begehbar trotz Schnee, und vor allem konnte man ihn als Schlittelbahn benützen. Nach Abklärungen, ob der Weg nun geräumt sei, starteten wir unseren Sonntagsausflug, nicht ohne vorgängig um sechs Uhr die Messe im Kloster besucht zu haben. Die Bahn brachte uns dann zum Bahnhof Waltensburg und wir gingen zu Fuss hinauf, die Schlitten ziehend. Als Kind erlebte ich den Winterwald geheimnisvoll. Zwei Haarnadelkurven waren zu überwinden und dann erspähte man irgendwann die ersten Häuser vom Markal.  - Abends schlittelten wir dann den Mettal hinunter. Als Erstklässlerin hatte ich zum ersten Mal einen eigenen Schlitten, das war ein grosses Gefühl, ich war stolz und glücklich alleine die Kurven zu drehen. Ein so langer Schlittelweg war ein Traum. - Damals bestand noch die Wirtschaft neben dem Bahnhof in Waltensburg Station, dort wurde dann nach dem Schlitteln eigekehrt. Das verrauchte Lokal hatte seine besondere Atmosphäre nach dem Naturerlebnis. Es wurde uns dort auch von den Polen erzählt, die während des Krieges den rechtsrheinische Weg gebaut hatten, den Polenweg, wie er heute noch heisst. Die Wirtin habe diesen „Internierten“ dann auch manchmal Kaffee gebracht. Sie hätte Mitleid gehabt.
Der Polenweg hat noch heute seine Bedeutung, gehört die Polenwegstrecke von Ilanz bis Tavanasa doch zur Schweizer Veloroute Nr. 6, der Rheinroute, welche dem Rhein nach bis Basel führt. Und wenn ich heute auf meinem Zweirad in Richtung Oberland fahre halte ich gerne an der Zweigstelle zum Mettal und erinnere mich an frühere Zeiten.

Geschrieben von Ursula Dosch (1941), Obersaxen, 2015

Lochli - der Saum- und Fussweg

Soweit die Füsse tragen – und manchmal sogar noch etwas weiter, wenn die Verwandten nicht dort waren, wo sie eigentlich sein sollten.

Diese Abkürzung ins Tal hinunter bestand zu meiner Zeit nur noch für Fussgänger, einst auch als Saumpfad. Für die in den Weilern des so genannten Zwischentobels und des östlichen Innertobels in Obersaxen ansässigen Leute gab es keine kürzere Strecke nach Tavanasa. Nach Überlieferung liessen Obersaxer ihre Kuhhäute in der damaligen Gerberei in Tavanasa präparieren. Und die Störschuster, die nachweislich bis mindestens 1920 auf Wunsch von Haus zu Haus zogen, kauften nach Bedarf das Leder in "Fanàzza", wie Tavanasa bei uns Walsern damals hiess. Natürlich besorgte man sich da unten auch Esswaren, Eisenwaren usw.

Diese Route wurde von meinem Vater in ledigen Jahren auch benutzt, als er ab und zu bei seinem Schwager in Tavanasa als Zimmermann arbeitete. Später war es dann der kürzeste Weg, um zu einer Hochzeit der Nichten zu gelangen. Auch in der entgegen gesetzten Richtung war der Pfad gefragt. Jedes Jahr im Herbst erhielten wir Besuch von zwei unserer Vettern aus Dardin. Sie brachten uns Bienenhonig und trugen dafür auf einem Traggestell etwas Alpkäse und Ziger nach Hause.

Mir wurde diese Strecke nur zweimal ermöglicht. Die erste Erinnerung ans Lochli reicht ins Jahr 1944 zurück. Ich war gut vier Jahre alt. Eindruck gemacht hat mir die Tour trotzdem! Zuoberst in Dardin wohnte eben die älteste Schwester meines Vaters. Gar oft erhielt sie nicht Besuch von uns. An diesem Sonntag aber nahmen mich meine Eltern bei der Hand, und ich trippelte von Zarzana die Abkürzung nach Giraniga hinab, dann über Canterdun zum Lochli und schnurstracks nach Tavanasa hinunter. Bald war das Ziel erreicht. - O Schreck - hier war niemand Zuhause! - Wir hätten uns ja nicht telefonisch anmelden können, denn weder die Tante noch wir hatten dazu die Möglichkeit! - Nachbarn erzählten, dass heute in Brigels oben eine grosse Feier sei. Die Verwandten seien dort. - Was tun? Sicher nicht umkehren! So stiegen wir mindestens so steil auf der andern Talseite hinauf. Meine Kräfte reichten kaum noch, und so trug mich mein Vater streckenweise auf dem Rücken. Droben ging es hoch zu. Ein Umzug war im Gange. Ich erkannte einen Obersaxer hoch zu Pferd. Sonst blieb mir vom Fest nichts in Erinnerung! Als Erwachsene fand ich dann heraus, dass das die Zentenarfeier für den aus Brigels stammenden, berühmten Poeten Giachen Caspar Muoth (1844-1906) war. - Lange konnten wir die Aussicht nach Obersaxen hinüber nicht geniessen. Der Heimweg war in umgekehrter Richtung genau so lang und beschwerlich...

28 Jahre später stieg ich mit einer Cousine, die sich mit dem Lochlipfad auskannte, zur Beerdigung der Tante nach Dardin hinunter. Meine Schwester erzählt, dass sie von Pradamaz aus Anfang der 1960er Jahre diesen Pfad unter die Füsse nahm, um zum Coiffeur zu gelangen...

Geschrieben von Maria Ettlin-Janka (1940), Obersaxen/Stans, 2015

Ein Sonntagsausflug "An Sunntigsüssflugg" von Obersaxen nach Rueun

Schnell zum Fischen an den Rhein und mit leerem Magen wieder zurück.

Àn da scheena Summarsunntiga sind wiar zwei Jungschta mit dr Mamma und dm Papa vill in dr Natüür gsi. Wiar sind ga wàndara odar heint gmiatli nauwa undarwaggsch ggassa.
Àn dem Sunntig ischt àllas nu vill schennar gsi. Àlli inschi «groossa Gschwischtarti» sind uf Bsuach gsi cho. Fir mich - ds Jungschta vu siba Goofa - ischt dàs gsi wia Wianàchta und Ooschtara zama!
Miini zwee Briadar, dr Rudolf und dr Tomas heint as gànz speziells Gschengg gha gholt – an gànz liachta und hàndlicha Grill. Ds Papasch Voorschlàgg het gheissa: «Hit gaawar zum Fluss. Ich nima miini Fischarsàcha mit, und de gits as guats Maalti. Asoo heiwar d Glagaheit inscha nüuw Grill iizwija.» Zur Mamma seit ar: «Düuw Teresinna hescht de net seval Ààrbat. Wiar namant nu as pàrr Haardepfal mit – ds Beschta zu Fisch.» Gseit und gmàcht! Àlli wiar nii sind looszoga - d Mamma, dr Papa, dr Rudolf, d Mariànna, d Anscheliina, dr Tomas, d Terees und wiar zwei Chliina, ds Hannali und ich. Mit da volla Ruckseck und mit am nüuwa Grill undar am Ààra siwar gaga Ruawisch ààb àn da Rii. Dart heiwar an ideààla Àngalplàtz gsuacht und au gfunda. Dr Papa het àllas zum Fischa üsspàckt und het àgfànga àngla. Aar het gmeint: «As pàrr Fisch sind bààld gfànga. Stellat dr nüuw Grill üüf und richtat àllas fir ins Zmittàgg.» D Mamma und dia groossa Schweschtara heint d Haardepfal mit Chrittli und Oliivaneel gwirzt, in Foolia iitreelt und uf da Grill tàà. Dia heint jo lengar bisch lindi sind as d Fisch.
Dr Papa het àgfànga fischa… und ar het gfischat und gfischat und gfischat – leidar oni Arfolg! Wiar heint àlli an uvarschànnta Hungar gha und sind làngsàmm ulidigi cho. De riapft dr Papa: «Ich han an Fisch àn dr Àngla! Dàs muass an mords Karli si. I pringana fàscht net üss am Wàssar.» De an u Rupf, und d Àngalschnuar ischt im hooha Boga üss am Wàssar gschossa! Züssarscht het ma apis Chliis silbrig gsee glitzara. D Schnuar ischt àma Baumàscht hindar am Papa phànga pliba. Àn dr Àngla het as gànz chliis Fischli zàpplat.
Dr Rudolf und dr Tomas sind z Hilf gschprunga. Schii sind uf da Baum greplat und heint probiart ds Fischli z arleesa unds z là gàà. Dia gànz Familia het gschpànnt zuagluagt und uf an gschwinti Rettig ghofft. Nààma Wiili ischt ds Fischli widar im Wàssar gsi. Àlli heint üüfgschnüüfat, wà dia Akzioo mit Arfolg fartig gsi ischt.
Derwiila het niamar uf d Haardepfal uf am Grill gha üüfpàsst. Dàs sind nü nu Chola gsi, wàma nimma het chenna assa!
Wiar heint inschi siba Sàcha zfrida zamapàggt und sind mit chnurranda Magam uf da Heiwagg ggànga. Wà war daheima gsi sind, ischt dia gànz Familia bim a guata Chlimarand zamagsassa. Wiar heint miassa ubar ds Papasch «riicha Fischfàng» làcha.
Dàs ischt inscha Sunntigsüssflugg gsi. Àn deer teech i au nàà bààld föfzg Jààr nu gaara zrugg!

Geschrieben von Christeli Filli-Mirer (1955), Zernez/Obersaxen, 2012

Herbstausflug der Cazner Schüler zum Piz Mundaun

Drei Schulklassen der Jahrgänge 1950/51/52 auf dem Piz Mundaun im Oktober 1965 (in der Mitte mit dem dunklen Hemd sitzt Herbert Patt)

Von Ilanz marschierten wir in Richtung Luven, über den Luvner Weg. Ab Luven ging's über Sasolas zum Cuolm Sura und von dort zur Äusseren Hitzegga. Von da aus erreichten wir von Westen kommend den Piz Mundaun. Endlich waren wir schweisstreibend auf diesem grandiosen Piz Mundaun angelangt. Ein Feuer, Servelas und ein Schluck aus der Thermosflasche liessen uns den harten Aufstieg vergessen. Wenn wir Jungs und Mädels auch nicht viel von Geografie hielten, diese Aussicht hier oben hat uns doch alle fasziniert. Einmal von 2064 m. ü. M. direkt auf die Bündner Hauptstadt zu sehen, die Ringelspitze vor der Nase, und was uns am meisten begeisterte, wir konnten unseren Hausberg, den Piz Beverin, vom Oberland her begutachten. Dann ein einmaliges Erlebnis, der Blick weit ins Oberland hinauf, umrahmt mit seinen majestätischen Gipfeln wie Kistenstock, Tödi, Oberalpstock usw. Sogar das Finsteraarhorn aus dem Wallis lässt grüssen und zu Füssen die ganze Gruob und das sich nach Süden öffnende Lugnez. Da gab’s nur eines – Faszination pur – heute würde mein grosser Enkel dazu sagen „mega geil“. Mit vielen schönen Gedanken ging's über die Ostflanke zum Hotel hinunter, wo wir mit einem Orangina unseren mächtigen Durst löschten. Auf andern Pfaden erreichten wir erneut Luven und Ilanz. Dort wartete auch schon der Zug, der uns wieder über Reichenau nach Cazis brachte. 
Übrigens, der  Höhenunterschied zwischen Ilanz und dem Piz Mundaun beträgt ca. 1300 Meter. Ein weiter Weg und das hin und zurück zu Fuss? Oh ja - wir schafften das ohne grosse Probleme. Fussballspielen bei Ruedi Netzer und Turnen bei Fräulein Maria für die Mädchen hielt uns mächtig in Form, und zudem waren die meisten Bauernkinder, die damals dank harter Arbeit in guter Verfassung waren. Also heisst das Fazit des Herbstausflugs 1965: „omnis per petrum apostolorum“. Ende gut alles gut.

Geschrieben von Herbert Patt (1950), Tartar, 2015

 

 

Weitere Fotos von den Fusswegen rund um Ilanz

Viele der alten Fusswege sind heute beliebte Wanderwege. 

Ausblick auf die Ruinaulta
Waltensburg Station - Meierhof ("Mattal", "Mettal", "Mettli")
Axenstein - Tavanasa
Flond - Luven
Ladir - Schluein
Ilanz - via Salens - Ruschein
Ilanz- via Tischinas - Ruschein
Luven - Ilanz
Rueun - Flond
Sevgein - Crap da Sevgein - Riein